CN: Bifeindlichkeit, Monosexismus, bisschen Cisnormativität
Dieser Text ist der erste einer Reihe. Eigentlich wollte ich einen Text dazu schreiben, aber ich habe gemerkt, dass es viel zu viel zu sagen/schreiben gibt. Um eure Aufmerksamkeitsspanne nicht zu doll zu strapazieren, kommt hier also eine Einleitung und der erste Punkt.
Einleitung
Ich weiß nicht genau, wer den Begriff Monosexismus erfunden hat. Das erste Mal gelesen habe ich ihn in Bi: Notes for a Bisexual Revolution von Shiri Eisner (2013 bei Seal Press, Berkeley/California veröffentlicht). Eisner meint damit die spezifische Diskriminierung von Personen, die auf mehr als ein Geschlecht stehen, und hat auf ihrem Blog und im Buch eine Checklist, die das monosexuelle Privileg beleuchtet. Ich stimme nicht allen Punkten zu. Z.B. werden auch Lesben und Schwule gelegentlich invalidiert und ihnen erklärt, dass das doch bestimmt nur eine Phase sei. Dennoch finde ich diese Auflistung wertvoll. Also, wenn ihr Englisch könnt: Lest sie gern! Ich werde sie beim Schreiben nebenher geöffnet haben, um meine Gedanken etwas besser sortieren zu können.
Ich denke auch darüber nach, inwiefern asexuelle Menschen unter Monosexismus leiden – also, die Vorstellung, dass * auf genau ein Geschlecht stehen muss, sagt ja nicht nur aus, dass es nicht mehr, sondern auch, dass es nicht weniger sein dürfen. Dies sei erwähnt, soll aber nicht Inhalt dieses Beitrages sein.
Und da es leider, leider nicht üblich ist, zu erwähnen, wer mir bei der Entwicklung meiner Gedanken hilft und half, will ich hier neben bereits erwähntem Buch und Blog von Shiri Eisner die Facebook-Seite von Miles The Bisexual erwähnen. Dort trägt Miles viele verschiedene Beiträge zum Thema Bi zusammen und ich freue mich immer sehr darüber, sie zu lesen. Es gibt auch einen Blog von Miles. Beides ist auf Englisch. Außerdem ein Danke an meine bi-, pan- und polysexuellen Freund*innen und Bekanntschaften, mit denen ich mich über solche Themen austausche und von denen ich nicht weiß, ob sie ihre Namen hier stehen haben wollen.
Abstreiten und Unsichtbarmachen
TL;DR: Bi Leute wird oft ihre Bisexualität aberkannt. Ihre Bisexualität wird angezweifelt, wenn sie sie nicht beweisen wollen oder können, indem sie erzählen, mit wie vielen Leuten verschiedener Geschlechter sie schon Sex oder Beziehungen hatten. Bi Menschen in einer Beziehung werden in der Regel als lesbisch, schwul oder hetero betrachtet – was falsch ist.
Ich erlebe es oft, dass Bisexualität, hier verwendet als Überbegriff für nicht-monosexuelle Orientierungen, reduziert wird auf eine Mischung aus Homo- und Heterosexualität. Bisexuelle Personen werden als halb hetero, als halb schwul bzw. lesbisch gesehen und in der Regel schlüpfen “wir” ja auch in monosexuellen Szenen und Räumen unter. Wir gehen auf schwul-lesbische Partys und fühlen uns da irgendwie zugehörig. Wir haben Partner*innen eines anderen Geschlechtes und ordnen uns in den Hetero-Mainstream ein. Eine eigene Bi-Community und Bi-Aktivismus gibt es kaum. Und ich denke immer mehr, dass ich so etwas brauche, je mehr ich mich mit Monosexismus befasse.
Neben der Idee, dass bisexuelle Leute halb homo und halt hetero sind, gibt es eine noch fiesere Ausformung des Monoseximus: dass bisexuelle Personen ganz homo oder ganz hetero sind. Auch wenn ich kein* aberkennen will, sich bi zu nennen und doch irgendwann zu merken, dass lesbisch, schwul oder hetero besser passt (ehrlich, ihr seid super und cool und möget über glitzernde Wege wandeln und ihr bestärkt keine bifeindlichen Klischees, nur, weil ihr Zeit braucht, euch zu finden!) ist es schädlich, allen bi Leuten einreden zu wollen, dass es sie nicht gebe, dass das nur eine Phase sei oder dass sie sich endlich mal entscheiden müssten. Falls es so sein sollte, merken sie es schon ohne eure total wertlosen Hinweise. Allen anderen geht ihr damit nur auf den Nerv.
Paare, insofern sie aus zwei Personen bestehen, werden in der Regel monosexistisch beurteilt. Wenn wir zwei Menschen in romantischer Interaktion sehen, gehen wir davon aus, dass wir ein lesbisches, schwules oder hetero Pärchen vor uns haben. Sollte eine Person monosexuell sein, wird die monosexuelle Orientierung dieser über die d* Partner*in gestellt, indem das monosexuelle Label verwendet wird. Richtig merkwürdig wird es, wenn zwei bi Personen zusammen sind und als lesbisches, schwules oder hetero Pärchen bezeichnet werden, obwohl kein* von ihnen lesbisch, schwul oder hetero ist.
Die einzige Ausnahme, die mir bisher begegnet ist, dass ein “Bi-Paar” aus einem hetero Mann und einer bi Frau besteht und die beiden eine (weitere) (Sex-)Partnerin suchen. Hier wird der Begriff “bi” verwendet, obschon 1 der beiden monosexuell ist. Aber auch direkt instrumentalisiert in der Suche nach der Dritten im Bunde. Übersexualisierung von Bisexualität und besonders bisexuellen Frauen wird ein Thema, das ich noch gesondert behandeln werde.
Zurück zur zwingenden Erwartung der Monosexualität: Es wird also nicht nur Geschlecht, sondern auch sexuelle Orientierung zugeschrieben, und ich weiß selbst nicht so genau, wie ich diese Zuschreibung thematisieren kann, ohne sie zu re_produzieren. Vermutlich gar nicht. Ich merke definitiv, dass es für mich entspannter ist, in einer Konstellation unterwegs zu sein, in der wir für ein hetero Paar gehalten werden, als in einer, in der wir als lesbisches Paar eingestuft werden. Sexuelle und Geschlechtsidentität werden in beiden Fällen falsch zugeordnet und macht mir immer ein komisches Gefühl. Angst, wegen meiner Beziehung belästigt zu werden, habe ich aber nur, wenn wir für lesbisch gehalten werden.
Neben dem Begriff der “Bi-Unsichtbarkeit” (bi invisibility) gibt es bi erasure, den ich nicht besser übersetzen kann als “Bi-Unsichtbar-Machen” oder “Unsichtbarmachen von Bisexuellen“. Dieser trifft es vermutlich noch besser. Generell bin ich ja nicht unsichtbar in meiner Orientierung. Andere machen mich unsichtbar, indem sie davon ausgehen, dass ich in einer hetero oder einer homo Beziehung bin. Oder davon ausgehen, dass ich hetero oder homo bin, wenn ich “meine Freundin” oder “meinen Freund” erwähne. Oder indem sie einfach komplett auslassen, dass es Bisexualität oder bisexuelle Personen gibt. Jetzt, in der CSD-Saison, fällt mir stark auf, dass oft von “Lesben, Schwulen und Trans[identen]” geredet wird. Und mir sind auch schon Beratungsangebote für “Lesben, Schwule und Trans[idente]” begegnet. Als als neulich Studien diskutiert wurden, in denen die Diskriminierungserfahrungen von LSBT Personen untersucht wurden, wurde in Berichten häufig das B mit aufgezählt und fortan ausschließlich von “Lesben und Schwulen” und “Trans[identen]” geredet. Teilweise noch mit ungeileren Formulierungen, aber ich will hier sowas nicht wiedergeben. Unter all diese Artikel schreibe ich gern, dass es auch Bisexuelle gibt und vermutlich auch Bisexuelle befragt wurden. Hört auf, uns zu ignorieren! Und dass trans[gender] ein Adjektiv und kein Nomen ist.
Neben dem Unsichtbarmachen ist es eine beliebte Form, Leuten abzuerkennen, bi zu sein, wenn sie keinen Lebenslauf offen legen wollen oder können, der untermauert, dass sie wirklich richtig bi sind. Scherzhaft sagte ich, als ich mit meinen beiden Lieblingsentitäten Zeit verbrachte: “Bis 20 war ich hetero. Als ich dann das erste Mal mit ner Frau schlief, war ich offiziell bi. Pan durfte ich mich endlich nennen, nachdem ich mit ner genderqueeren Person zusammen war. Und jetzt, wo ich euch beide besonders doll mag, hab ich mir auch offiziell das Bi-Siegel verdient.” 1 von beiden antwortete: “Ich glaube, […] und ich sind gar nicht so unterschiedlich vong Gender her!”, woraufhin ich erwiderte: “Das zählt für den cissexistischen Blick nicht!” Was ich hier auf eine scherzhafte Weise erzählte, um mich darüber lustig zu machen, verweist aber auf ein echtes Problem: Irgendwer will Ga(y)tekeeping betreiben, also Türsteher*in spielen und entscheiden, wer jetzt rein darf nach Gaytown und wer nicht. Auf der anderen Seite ist die Heterowelt damit beschäftigt, bi Leuten den Hetero-Stempel aufzudrücken, weil Heteronormativität und Monosexismus. Erst, wenn du vorweisen kannst, mit wie vielen Menschen verschiedener Geschlechter du schon Sex hattest, kann es sein, dass offiziell anerkannt wird, dass du wirklich bi bist. Idealerweise kannst du nicht nur Sex, sondern auch richtig feste, ernste, seriell monogame, lang andauernde Liebesbeziehungen zu Personen verschiedener Geschlechter vorweisen. Aber bloß nicht zu lang oder zu beständig – das beweist dann, das alles davor eine Phase / ein Irrtum war.
Dies ist eine Sache, die bi Leute wirklich besonders trifft. Wenn wer noch keine Beziehung oder noch nie Sex hatte, wird der Person in der Regel trotzdem zugestanden, sich lesbisch, schwul oder hetero zu nennen. Sexuelles Interesse/Begehren oder schon einmal verliebt gewesen zu sein reicht normalerweise, um als monosexuelle_romantische Person anerkannt zu werden. War eine bi Person bisher nur mit Leuten eines Geschlechtes zusammen, wird dies aber als Argument genommen, dass xier/sie/er doch eigentlich lesbisch, schwul oder hetero sei – oder dass xier/sie/er es doch gar nicht wissen könne, wenn xier/sie/er keine detaillierten Schilderungen aller Liebesbeziehungen und Sexualakte, die bisher erlebt wurden, liefern will oder kann.
Hier werde ich den zweiten Teil verlinken, sobald ich den geschrieben habe.