Ich glaube, es gibt unterschiedliche Arten, auf die der Begriff mansplaining, sehr viel seltener auch herrklären, genutzt wird. Einerseits bin ich sehr dafür, Uneindeutigkeiten zuzulassen und anzunehmen. Andererseits ist es schwierig, wenn wir nicht mehr wissen, was unser Gegenüber eigentlich meint.
Deshalb der Versuch einer Düsendefinition, wie immer ohne Wahrheitsanspruch:
Nicht jede Erklärung eines Mannes ist Mansplaining. Mansplaining bedeutet für mich, dass ein Mann etwas erklärt, das die andere Person schon weiß, bei dem es bekannt oder wahrscheinlich ist, dass sie es weiß, vielleicht sogar besser weiß, weil sie Expertise auf dem Gebiet hat und er das trotzdem tut. Das macht er, weil er sich entweder selbst gern reden hört, da er eine außerordentlich wichtige Person ist, oder weil er seine scheinbare Überlegenheit zur Schau stellen muss, indem er andere dadurch erniedrigt, sie für dumm zu erklären. Oder beides.
Daher erfolgt Mansplaining eigentlich immer gegenüber einer Frau oder 1 Enbys. Es gibt analoge Begriffe wie #Whitesplaining, wenn weiße Menschen Schwarzen Menschen und (anderen) People of Color erklären, wie das denn so ist.
Kein Mansplaining ist es, wenn ein Mann aus seiner persönlichen Erfahrung spricht, außer (!) er nutzt dies, um Frauen und Enbies ihre Erfahrung abzuerkennen:
“Wenn es regnet, bin ich traurig” ist an sich kein Mansplaining, kann aber trotzdem fies sein, wenn es z.B. darum geht, einer Frau einzureden, dass sie bei Regen auch traurig sein muss oder es nicht sein kann, dass Regen sie froh macht. Aber das geht vll auch schon eher in Richtung #Gaslighting. Anekdotische Evidenz wird auch nicht wahrer, wenn sie von einen Mann kommt: “Ich habe es noch nie regnen sehen” bedeutet nicht, dass es keinen Regen gibt und dass Leute, die schildern, dass sie vollkommen nass geregnet wurden, lügen.
Kein Mansplaining ist es, wenn ich einen Mann dazu auffordere, mir etwas zu erklären, und er es tut.
Wenn ich frage: “Kann ich Reste alter Wärmeleitpaste mit Nagellackentferner wegmachen?” und er antwortet: “Ne, da sind oft pflegende Stoffe drin, die dann an da hängen bleiben können, und das ist schlecht” ist das kein Mansplaining. Wenn ich frage: “In welches Buch von Bourdieu gucke ich am besten, wenn ich n Überblick haben will, was er mit Habitus meint?” und ich eine Primär- und eine Sekundärquelle bekomme, ist das kein Mansplaining.
Fragen dieser Art können auch impliziter sein:
Wenn ich in eine Vorlesung gehe und der Prof Dinge erklärt, die ich persönlich schon weiß, ist es kein Mansplaining, denn er macht diese Vorlesung für Leute, bei denen er davon ausgeht, dass sie das halt noch nicht wissen und da kann’s halt vorkommen, dass das für mich uninteressant ist. Wenn er mich kennt und weiß, dass ich das schon weiß und es nur deshalb nochmal erzählt, ist das allerdings Mansplaining.
Ähnlich ist es, wenn ich einen Kurs besuche, wie ich mein Fahrrad repariere. Da wird halt davon ausgegangen, dass ich das noch nicht weiß, sonst hätte ich mich wahrscheinlich nicht angemeldet. Bei beiden vorangegangenen Beispielen können wir aber ruhig hinterfragen, wo denn die unterrichtenden Enbies und Frauen sind =)
Wenn ich ein Geräusch höre und mich verwundert umschaue und mir ein Mann sagt, woher dieses Geräusch kam, ist das auch kein Mansplaining – ich habe halt implizit gefragt und eine Antwort bekommen.
Kein Mansplaining ist es, wenn ein Mann Expertise auf einem Gebiet hat und dieses in eine Diskussion einbringt – außer, alle anderen haben die gleiche Expertise. Da kann es schwierig sein, das einzuschätzen. Aber vielleicht hilft da eine Frage: “Wisst ihr, was Foucault dazu so geschrieben hat?” Dann wird es auch nicht langweilig, weil ein Mann etwas erklärt, das schon alle wissen. Generell kann an der Stelle aber darauf geachtet werden, wer was erklärt und wer wie viel redet, denn da entstehen auch oft unangenehme Situationen, die mit Geschlechterungerechtigkeit oder anderen fiesen Sachen zusammenhängen.
Über Unsicherheiten reden, kann auch generell helfen: “Ich kann bei dir schwer einschätzen, was du über Computer weißt, denn du weißt Sachen, die kaum wer weiß und von Sachen, bei denen ich denke, dass die eigentlich bekannt sind, hast du noch nie was gehört.” Von so nem Punkt aus kann ein Gesprächsstil entwickelt werden, der allen hilft – z.B. dass ich Erklärungen unterbreche mit: “Weiß ich schon” oder “Was ist ein Compiler?”
Jetzt holen wir die Definition von oben noch einmal herbei:
Mansplaining bedeutet, dass ein Mann etwas erklärt, was die andere Person schon weiß, bei dem bekannt oder sehr wahrscheinlich ist, dass sie es weiß, vielleicht sogar besser weiß, da sie Expertise auf dem Gebiet hat und er das trotzdem tut.
Besonders faszinierend finde ich Mansplaining, das von Fremden im öffentlichen Raum passiert. Da scheint der Faktor der Selbsterhöhung und der Erniedrigung der anderen Person besonders groß zu sein:
Eine Frau wirft Altglas in den Altglascontainer und ein Mann bleibt stehen und erklärt ihr, wie Altglas richtig eingeworfen wird. (True Story! Alles hier sind true stories! Außer das mit dem Regen.)
Eine Fotografin fotografiert mit einer Fotoausrüstung, die sehr professionell aussieht, und ein Typ bleibt stehen und erklärt, wie Fotografieren richtig geht.
Ein Mann im Internet erklärt einer Astronautin Raumfahrt.
Ein Mann im Internet erklärt einer Informatik-Professorin, dass sie Java lieben würde, wenn sie Java erst einmal gelernt hat.
Ein Student erklärt einer Student:in älteren Semesters, di:er gerade die Abschlussarbeit zu diesem Thema schreibt, das Themengebiet – und zwar falsch.
In die andere Richtung, dass Frauen und Enbies un- oder kaum bekannten Männern erklären, wie sie etwas machen müssen oder wie etwas richtig ist, passiert sehr sehr sehr sehr sehr selten. Kommt vor, aber sehr sehr sehr sehr sehr selten und deshalb hab ich keine Lust auf Diskussionen, dass dir einmal eine Frau gesagt hat, wie du deinen Sohn im Tragetuch tragen sollst, obwohl du das selber weißt, während immer und überall Frauen erklärt wird, wie ein Altglascontainer korrekt benutzt wird: Buntglas da rein, wo “Buntglas” steht, Weißglas darein, wo “Weißglas” steht. Es kommt einfach nicht in dieser Dominanz und Häufigkeit vor und ich will dir keineswegs anerkennen, dass es nervt, wenn dir als Vater keine Expertise über Kinderpflege zugetraut wird – es ist hier einfach nur gerade nicht das Thema und darauf auszuweichen, dass es ein Gebiet gibt, auf dem Männern Kompetenz aberkannt wird, während allen anderen immer und überall Kompetenz aberkannt wird, wird Derailing genannt.
Ich hoffe, es ist etwas klarer geworden, was ich mit Mansplaining meine und warum das schlimm ist: Es geht halt darum, dass Männer Frauen und Enbies erniedrigen, indem sie sie für als inkompetente Vollpfosten darstellen. Da sich Erklärungen von Frauen eigentlich immer nur auf Kinderpflege beziehen, kann da diskutiert werden, ob das eine Erniedrigung von Männern ist oder ein Aufrechterhalten der eigenen Unterdrückung, weil Frauen die Ideologie, dass sie nur in einer Sache gut sind, gefressen haben – aber das ist ja gerade nicht das Thema. Also, hört einfach auf zu mansplainen. Und kritisiert Mansplaining. Und nehmt es hin, wenn euch wer sagt, dass ihr gerade Offensichtliches erläutert und andere für doof erklärt.
Uuund zum Schluss noch 1 Thanks an Mensch, mit di:em ich darüber redete, was Mansplaining eigentlich ist, wie das verwendet wird und was damit eigentlich gemeint ist.