Ok, plakativer Titel, aber es ist hauptsächlich diese Gruppe (gut, manchmal auch nicht alt), die behauptet, nicht mehr flirten zu dürfen, ohne dass alle “Belästigung!” schreien. Und auch wenn ich meine Abneigung gegen diese Feindesgruppe gut pflege, kann ich es anerkennen, wenn welche von ihnen nicht mies sind. (#NotAllOIdWhiteMen XD ) Deshalb erzähle ich hier von meinem gestrigen Erlebnis mit, nennen ihn mal, Karl, weil Karl wie ein Vertreter diese Gruppe wirkt und alles richtig gemacht hat. Ich werde ihn trotzdem nicht kontaktieren, denn alles richtig machen heißt nicht, dass es zwingend zum Erfolg führt. Begründen muss ich es auch nicht, weil es immer gruselig ist, ein “nein” erklären oder verteidigen zu müssen. Wenn Karl so nett ist, wie er scheint, wird er sich vielleicht auch einfach darüber freuen, mit jemanden geredet zu haben und es wird nicht komisch sein, wenn wir uns noch einmal über den Weg laufen.
Wer zu faul ist, die Story zu lesen und direkt zu den Flirttipps will, scrolle weiter bis zum Fettgedruckten.
Ich will eine Runde tanzen, aber niemand der Leute, die ich frage, hat Zeit und Lust. Also baue ich mir in drei Minuten dunkel umrandete Augen, kombiniere das Sommerkleid, das ich am Morgen anzog, mit einer Leggins, weil es abends kühl wurde, schlüpfe in meine Barfußschuhe (ich sage gerne Barfußschuhe, um Leute zu ärgern, die sich beschweren, dass das ein Oxymoron sei), nehme den einzigen schwarzen Turnbeutel, den ich besitze, damit ich zur Party passe und mache mich auf den Weg. Der Plan: hin, eine Runde tanzen, zwei Stunden da sein, den letzten Zug zurück. Bahnhofsnah wohnen und bahnhofsnah feiern. Das Ruhrgebiet ist ein Dorf.
Ich komme an, gebe meinen Hoodie an der Garderobe ab, betrete den Discoraum und bin überrascht, wie voll der Laden ist – für n Wochentag. Ich war ewig nicht mehr hier und “damals” waren es eher so zehn Leute, die sich auf der und um die Tanzfläche verteilten, jetzt sind es eher so fünfzig. Ich stehe am Rand und versuche, in Tanzstimmung zu kommen. Ich kenne keins der Lieder. Bin ich zu alt oder zu jung? Vermutlich zu alt. So fühlt es sich also an, den Kontakt zu der Kultur deiner Jugend zu verlieren. Nach drei Liedern hole ich mir eine Cola (eigentlich war mein Plan, dass “Eine Cola bitte” die einzige Kommunikation an diesem Abend bleibt) und setze mich auf einen Barhocker an einem der Stehtische. Eine kleine Gruppe fragt, ob der Platz noch frei sei, ich sagte “Ja” und sie setzen sich. Nachdem ich meine Cola ausgetrunken hab, geh ich tanzen, auch wenn ich keine Ahnung habe, was da läuft. Zwischendurch drehe ich eine Runde, um zu schauen, ob vielleicht doch ein bekanntes Gesicht da ist, schaue mir die gratis Postkarten und Magazine in der Lobby an, tanze wieder und stehe irgendwann wieder am Rand der Tanzfläche. Da kommt ich-taufte-ihn-Karl auf mich zu und sagt: “Wenn wir schon deinen Tisch einnehmen, haben wir dir einen Platz freigehalten, also wenn du möchtest…” und geht zurück zu seinen Freund*innen. Da die Außenwelt meistens nicht so angenehm für Femmes (wann hab ich eigentlich angefangen, dass als Selbstbezeichnung zu verwenden? Ist noch nicht so lange her, fühlt sich aber gut an) ist, denke ich kurz darüber nach, ob ich bei meinem Vorsatz bleibe, Gespräche auf Getränkebestellungen zu beschränken, und komme zum Schluss: “Ach, egal.” Also gehe ich zu Karl und seinen Freund*innen, sage “Hallo”, schüttelt Hände, nenne meinen Namen und erfahre Namen, die ich vergessen habe, weil ich wirklich nicht gut darin bin, mir Namen zu merken. Ich führe Small Talk mit Karl, gehe wieder tanzen, komme wieder zum Tisch, erfahre von seinen Freund*innen, dass er gerade tanzt, wir reden dann wieder etwas, ich gehe tanzen, wieder etwas reden. Wie oft wir hier sind, was wir so machen, wenn wir nicht hier sind, welche Musik wir mögen, wo * noch hingehen kann. Nichts tiefgehendes, aber trotzdem angenehm. Gemeinsame Bezugspunkte: Dieser Club, Punk, Pogo, breit gefächerter Musikgeschmack.
Als Mitternacht vorüber ist und sich der Zeitpunkt nähert, an dem der letzte Zug fährt (ist halt unter der Woche), verabschiede ich mich, geh noch mal aufs Klo und hole meinen Pulli von der Garderobe. Als ich diesem anziehen will, kommt Karl, eilend und suchend wirkend, durch die Lobby. Ich sage scherzend: “Oh, so sieht man sich wieder!”, und er gibt mir einen Zettel mit den Worten: “Falls du willst… Also, würde mich freuen.” Ich nicke, er geht weg, ich ziehe den Pulli an und schaue auf den Zettel. Eine Telefonnummer und “Karl”. Er heißt nicht Karl, aber ohne diesen Zettel hätte ich mir den Namen erst recht nicht gemerkt. Wirklich, Namen!
Das war die Geschichte, und jetzt folgt meine Analyse, was es für mich so angenehm gemacht hat:
- Ich hatte jederzeit das Gefühl, ohne Probleme weggehen und das Gespräch abbrechen zu können. Es war kein Zwang. Er hat mich angesprochen, eingeladen, mit zu ihnen zu kommen und mir dann den Raum gelassen, zu entscheiden. Es gab keine unangenehme Situation, in der wir uns gegenüber standen und ich weglaufen oder “Geh weg!” sagen musste. Es zeigte sich ja auch, dass ich ohne Probleme die Situation verlassen konnte – tanzen gehen und wiederkommen. Hätte ich keine Lust mehr auf eine Unterhaltung gehabt, wäre ich halt nicht wieder gekommen. Auch wie er mir zum Schluss die Möglichkeit zu weiterem Kontakt gab, war nicht aufdringlich. Hier hast du meine Nummer, wenn du willst, melde dich. Tschöss. Ich kann sie mitnehmen und ihn anrufen, ich kann sie sofort wegwerfen, ich kann sie mitnehmen und mir in Ruhe überlegen, ob ich ihn anrufen will. Das ist entspannt und ganz und gar nicht aufdringlich.
- Keine nervigen Komplimente. Ich fühle mich schnell unwohl bei Komplimenten. Besonders, wenn Fremde etwas über mein Aussehen sagen, fühle ich mich unwohl. Karl hat nix über meine schönen Augen gesagt oder meinen Hochschulabschluss bewundert (ich seinen auch nicht). Wir haben einfach geredet und geschaut, ob wir gemeinsame Interessen haben.
Also, kurz gesagt: Karl war grenzachtend. Ich fühlte mich zu keinem Zeitpunkt bedrängt und war mir auch nicht sicher, ob das eigentlich Flirten ist oder einfach ein freundliches Da steht wer allein, ich biete mal an, zu uns zu kommen. Ich bin auch nicht gut darin, zu flirten, daher ist es gut, dass ich nicht wusste, was das eigentlich ist. Und Karl wirkte an mir interessiert, an mir als Mensch interessiert, interessiert daran, mich kennen zu lernen und etwas über sich zu erzählen. Ich glaube, das ist ein guter Start, wenn du jemanden kennen lernen willst: Lerne die Person kennen. Und sei kein Creep.