Miss Fisher’s Murder Mysteries

milde Spoiler, insbesondere in Bezug auf die Figur Dorothy ‘Dot’ Williams. Allgemeine Behandlung von Rassismus, Klassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit

 

 

 

 

Ich bin gerade in der Mitte der zweiten Staffel von Miss Fisher’s Murder Mysteries und ich liebe Dot.

Nach einer Pause habe ich die das Schauen der Sendung fortgesetzt. Ich war zwischendurch gelangweilt, denn irgendwie langweilen mich Held*innen, die ihrer Zeit voraus sind, sehr schnell. Wenn wer heute eine Geschichte schreibt, die früher spielt und die Hauptfigur mit unserer heutigen Moral oder unserem heutigen Wissen über dem steht, was in der Handlung passiert, finde ich das irgendwie flach und abgenutzt.[1]

Miss Fisher ist eine reiche Dame in den 1920er Jahren, die uns sympathisch ist, weil sie ihren Reichtum dazu einsetzt, denen zu helfen, die ihr genehm sind. So gibt sie dem Hausmädchen Dot eine Anstellung bei sich, nachdem Dot unter Mordverdacht stand und dank der Titelfigur Phryne Fisher von diesem befreit wird. Sie nimmt ein heimatloses Mädchen als Pflegekind/Ziehtochter bei sich auf, befreit ein schwangeres Mädchen aus einem Magdalenenheim und gibt einer autistischen Medizinstudentin, deren Mentor stirbt, ein großzügiges Stipendium (für diese Episode eine CN – die üblichen Autismus-Klischees). Phryne wurde durch ein Erbe reich und war früher arm und das soll wohl auch ihr Antrieb sein, anderen zu helfen. Dadurch soll sie ein guter Mensch sein, aber irgendwie fehlt mir die kritische Betrachtung ihrer Position als Bonze in der Gesellschaft, in der sie lebt. Und wie sichtbar die Klassenunterschiede dadurch werden. Die Gespräche mit ihren linken Freunden Cec und Bert sind unterhaltsam, aber irgendwie fehlt mir die Betrachtung des großen Ganzen. Auch verschwimmen die Grenzen zwischen Angestellten und Freund*innen und die Machtposition, die sie Dot, Cec und Bert gegenüber hat, wird unzureichend behandelt. Außerdem kriege ich von Ms Fisher sapphische Vibes, schon von Anfang an, die aber bisher nicht bestätigt wurden. Vielleicht wäre eine bisexuelle Protagonistin zu viel? Schwul oder lesbisch dürfen nur Nebenfiguren sein. Phrynes Ablehnen der Ehe und ihre Liebe zur Freiheit kann als Zeichen der Emanzipation gesehen werden. Für mich ist sie aromantisch. Und sehr solidarisch zu ihren Freund*innen. Wunderbar! Rassismus wird zu wenig behandelt – die Diskriminierung von Schwarzen Menschen, wenn sie denn mal auftauchen, wird abgelehnt, aber dass Australien nicht immer nur oder überwiegend von weißen Menschen bewohnt wurde, ist irgendwie nicht so relevant? Nun aber zu Dot!

Ms. Fisher wird uns als “fertige” Person präsentiert: Als moderne, emanzipierte Frau, die ihre Emanzipation eigentlich ausschließlich ihrem Reichtum verdankt und das nicht reflektiert. Dot lernen wir als sehr junge Frau oder als Mädchen kennen. Ihre Arbeit für / Ihre Freundinnenschaft zu Phryne treibt ihre Entwicklung voran. Aber Dot wird keine Kopie von ihr, sondern überdenkt ihre eigene moralische Position, bleibt sich selbst treu und akzeptiert Lebensweisen und Eigenschaften, die ihr bisher fremd waren. Reagiert Dot zunächst irritiert bis angeekelt auf Ms. Fishers sexuelle Aktivität (sie wirft ein Diaphragma [Erklärung, üblicher Cissexismus] erschrocken weg, nachdem Phryne erklärt, wofür es da ist), ist sie später in Anbetracht von Nacktheit, z.B. einem Sportler ohne Shirt, immer noch unangenehm berührt, urteilt aber nicht über andere. Etwas unangenehm ist, zu sehen, wie Dots sexuelle Grenzen auf diese Art verletzt werden und wir beobachten, dass sie ihre Gefühle ernst nehmen will, aber es irgendwie auch nicht schafft, das zu formulieren und deshalb in eine andere Richtung starrt. Ihr boyfriend ist da sensibler als Ms. Fisher, denn er wirft seinem Trainingspartner eine Decke über. Das kann natürlich auch als männliches besitzergreifendes Zeug gesehen werden, aber ich betrachte es mehr als Rücksicht auf die Gefühle/Schamgrenze seiner Freundin. Die boyfriend-Geschichte ist auch super. Dot wirft in den Konflikt geworfen, sich als Katholikin in einen Protestanten zu verlieben. Als ihr Pfarrer darauf unerfreut reagiert, reden Dot und Phryne darüber und die Titelfigur weist Dot darauf hin, welche Macht Frauen haben. Während Phryne immer auch als Verführerin inszeniert wird, zeigt Dot einen Einfluss, in dem “weibliche” Macht komplett ohne Sexualität auskommt. Der Pfarrer sagt nichts mehr über ihre keuschen Rendez-vous mit dem evangelischen Mann, nachdem Dot ankündigte, ihren sehr beliebten Kuchen (ich glaube, es war Kuchen) nicht zum Gemeindefest zu bringen, wenn ihr boyfriend nicht akzeptiert werde. Was ist das für ein cooler Move? Dot kennt den Wert der “Frauenarbeiten”, die sie verrichtet, und lässt auch nicht zu, dass jemand diese abwertet. Als ihr boyfriend sagt, dass ein Auto nicht so leicht zu bedienen sei wie ihre Nähmaschine, antwortet sie schnippisch, dass sie ja gerne mal sehen würde, wie er ihre Nähmaschine bediene. Bäms! Dazu fällt ihm auch nix mehr ein. Dot entwickelt sich zu einer eigenständigen, emanzipierten Frau, die mit ihrem boyfriend in Verhandlungen tritt, wie care work und Lohnarbeit zusammen gehen können, weil ihr beides wichtig ist. Und an dieser Stelle sehen wir auch, wie Männer über ihre Gefühle bzw. dieses Problem reden. Super, Männer, redet darüber! “Ich dachte, dass sie aufhört zu arbeiten, aber sie weiß nicht, ob sie das will. Was mache ich jetzt?” Und an der Stelle muss ich selbst weiter schauen, ob und wie Dot das unter einen Hut bekommt.

Generell bietet die Serie kurzweilige Unterhaltung, die Lösung von Mordfällen, eine elegante Protagonistin mit Bob-Frisur, eine lesbische Nebenfigur, sozialkritische Kommentare und halt Dot. Sie ist nicht fehlerfrei, wie ich oben anführe, und irgendwie schafft sie es für mich nicht, den Charme der 1920er Jahre so einzufangen, wie ich mir das vorstellte. Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt. Trotzdem würde ich sie empfehlen.


[1] Vor allem, wenn sich nicht einmal die Mühe gemacht wird, das dadurch zu erklären, dass die Protagonistin durch einen magischen Steinkreis aus dem Jahre 1945 in das Jahr 1743 befördert wird. Was halt so passiert. Über diese Serie können wir auch viel meckern. Aber wir sehen Cunnilingus und Sam Hughans sehr schönen Popo.