Rezension: “The Switch”

Ich versuche, euch hier eine spoilerfreie Rezension zu geben. Daher muss ich ein paar Sachen zurückhalten, um euch den Spaß nicht zu verderben. Aber ich muss auch ein paar Kleinigkeiten erzählen, weil es schwer ist, etwas über eine Serie zu schreiben, ohne zu erwähnen, was da passiert. Ich werde hier auch ein paar Punkte erwähnen, die ich gern gewusst hätte, bevor ich die Serie gesehen hab. Also los:

The Switch ist eine von tremblingvoid produzierte Serie, deren Hauptfigur die trans Frau Sü ist. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände (oder auch Transmisogynie) muss sie bei ihr* Ex Chris unterkommen.
Die ersten beiden Folgen könnt ihr gratis auf Youtube schauen. Wenn sie euch gefallen, könnt ihr die ganze Staffel (6 Folgen) auf verschiedenen Plattformen für etwa 15$ kaufen. Die Links findet ihr unter dem Video auf Youtube.
Ich wurde auf die Serie aufmerksam, als ich auf Social Media den Link zur ersten Folge mit dem Hinweis, dass * merke, dass die Serie von trans Personen geschrieben und produziert wurde und dass alle trans Figuren von trans Schauspieler*innen dargestellt werden. Also, ich war gebiased, aber ich muss sagen: Stimmt! =)

Verständlichkeit

Die Serie ist auf Englisch. Obwohl ich es gewohnt bin, Filme und Serienin dieser Sprache zu gucken, hatte ich an einigen Stellen Schwierigkeiten, zu verstehen, was gerade gesagt wurde. Durch Untertitel konnte ich diese Momente allerdings auf zwei in der ganzen Staffel reduzieren.
Generell lohnt es sich, die Sendung mit Untertiteln zu schauen, weil da kleine Witze eingebaut sind, die euch sonst entgehen.
Wem es schwer fällt, Serien auf Englisch zu gucken, wird mit dieser Sendung vermutlich Probleme haben. Soweit ich weiß, gibt es (noch) keine Untertitel auf anderen Sprachen.

Die Figuren

Wie bereits erwähnt, beginnt unsere Geschichte mit der trans Frau Sü. Sie arbeitet im IT-Bereich, verliert ihren Job aber nach ihrem Coming Out. Sie und ihr Goldfisch Bubbles kommen bei ihr* Ex Chris unter. Chris ist sehr zurückhaltend, was das eigene Geschlecht und Pronomen angeht, weshalb ich mich hier um neutrale Sprache bemühe. Offiziell ist es Chris’ Arbeit, bio Gemüse auszuliefern. Inoffiziell bringt Chris böse Lobbyist*innen um, um die Umwelt zu retten. Chris ist 1 der merkwürdigen Figuren in dieser Serie, aber auch unglaublich liebenswert. Chris hat eine kindliche Art. Als Sü um einen Schlafplatz bittet, überlässt Chris ihr das Bett und baut sich eine Schlafhöhle unter dem Esstisch. Chris ist sozial ungeschickt und weiß es auch. Chris bemüht sich in der Serie, darin besser zu werden, und schafft es mit Süs Hilfe. Ich mag Chris! Eine weitere exzentrische Person ist Teenager Zoey. Das Waisenkind nutzt “they” Pronomen und lebt mit xieser Patin neben der Wohnung von Chris und Sü. Xier ist entweder genderfluid oder auf der Suche nach dem richtigen Label. Zoey schleicht häufig in der Wohnung von Chris und Sü herum, schleppt oft neue Haustiere, zum Beispiel einen bissigen Waschbären, an und ist allgemein sehr merkwürdig. Aber auch Zoey mag ich sehr! Xier geht sehr rücksichtsvoll mit anderen trans Personen um und zeigt sehr viel Mitgefühl. Als xier Sü das erste Mal trifft, beruft Zoey sich auf sie mit “person” und schiebt im nächsten Satz ein fragendes “she?” hinterher, um sicher zu gehen, dass xier Sü nicht falsch benennt. Das ist süß! Außerdem kommt xier der neuen Nachbarin zur Hilfe, als eine Kleinigkeit, eine heruntergefallene Dose Suppe dazu führt, dass Süs Verzweiflung überhand gewinnt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freund*innenschaft.
In der dritten Folge taucht der trans Mann Phil auf. Er verhält sich erst sehr gemein, wird im Laufe der Zeit aber freundlicher. Ich weiß noch nicht genau, was ich von Phil halte.
Sandra ist Zoeys Patin und bemüht, sich um dien Teenager gut zu kümmern – kommt aber auch an ihre Grenzen und fühlt sich überfordert damit, ein*e trans Jugendliche anständig zu versorgen und ihrer Arbeit als Mordermittlerin bei der Polizei nachzukommen. Sie ist sehr fürsorglich und will Zoey beschützen – auch wenn sie dabei übertrieben vorsichtig ist.
Antonia ist die Vermieterin, Chris’ Chefin und vermutlich die maskulinste Person, die in der Serie auftaucht.

Wenn das Lachen im Halse stecken bleibt

Seien wir ehrlich: In den meisten “lustigen” Filmen und Serien, in denen trans Personen auftauchen, ist der “Witz”, dass es trans Personen, insbesondere trans Frauen, gibt. The Switch schafft es, lustige Situationen herzustellen, ohne dass trans Personen lächerlich gemacht werden. Die Serie schafft nutzt eher einen Galgenhumor. Transfeindlichkeit beeinflusst das Leben der Figuren, und ihr Umgang damit ist es, sie wegzulachen oder ihr durch sarkastische Bemerkungen den Schrecken zu nehmen. Ich finde es sehr gut, war aber trotzdem etwas erschrocken, als in einem Nebensatz und als Witz (Polizei-)Gewalt, Mord, Suizidgedanken oder die Unmöglichkeit, ein öffentliches Klo zu benutzen, angesprochen werden. Dabei liegt der Witz niemals dabei, trans Personen lächerlich zu machen. Viel mehr wird das Verhalten von cis Personen vorgeführt:

  • Eine Person betont, nicht transfeindlich zu sein, schiebt eine transmisogyne Aussage hinterher, hebt die Hand und erwartet, dass eingeschlagen wird – was nicht passiert.
  • Beim Sport beschweren sich die Gegner*innen über transfeminine Personen im anderen Team – allerdings nur über die trans Person, die auch gut im Sport ist. Bei der anderen ist es egal. So wird herausgestellt, dass es eigentlich gar nicht um das Geschlecht geht, sondern nur darum, sich einen Vorteil zu erkämpfen, in dem Spieler*innen ausgeschlossen werden.
  • Als zwei Personen mit einen Psychiater reden, weil sie ein Gutachten für Operationen wollen, stellt dieser Fragen, die mich zum Lachen bringen, aber zugleich traurig machen, weil es unglaublich überspitzt wirkt, aber gar nicht mal so überspitzt ist. Intime Fragen wie nach der beliebtesten Sexstellung, bitte mit detaillierter Beschreibung, werden von Gutachter*innen nicht selten gestellt. Ebenso sind Stereotype, mit welchem Spielzeug mensch als Kind denn am liebsten gespielt habe, nicht ungewöhnlich. Mein Mitgefühl war da bei den Befragten, die sich einem uralten Geschlechterklischee beugen sollten, um ihr Geschlecht zu beweisen.

Die transfeindlichen Leute in einer transfeindlichen Welt werden hier der Grund, zu lachen – und nicht die trans Personen, deren Existenz wir aufgrund unserer Transfeindlichkeit lustig finden müssen. Das ist selten, und das ist toll!
Ein weiterer Moment, der auf der einen Seite bizarr überzogen erscheint, auf der anderen Seite aber so nah an der Realität ist, ist, als 1 der auftretenden Figuren im letzten Moment davon abgehalten wird, sich einen riesigen Stein auf die Genitalien fallen zu lassen – und auf den Hinweis, dass xier dabei hätte sterben können, antwortet, dass das die andere Option sei. Dass sich Leute durch Dysphorie selbst verletzen, weil dieses eine Körperteil endlich weg muss, ist etwas, das passiert. Das Leid, das aufkommt, wenn medizinische Behandlungen vorenthalten werden, ist echt und wird in dieser Situation so deutlich, dass es weh tut. Es soll ab dem Punkt vermutlich auch nicht mehr lustig sein.

Lösungsstrategien

Die Serie bietet für die böse Welt da draußen eine Lösungsstrategie, die die meisten von uns wohl moralisch schwierig finden und deren Outcome nicht geklärt ist: Gewalt. In Filmen und Serien finde ich es allerdings unglaublich lustig, Probleme durch Gewalt zu lösen. Und seien wir ehrlich: So richtig fällt uns ja auch nix ein, wie es von heute auf morgen besser wird. Daher finde ich es schon lustig, wenn der fiese Gutachter mit einer Armbrust bedroht wird, durch Mord eine freie Arbeitsstelle geschaffen wird, transfeindliche Leute einfach mal mit dem Elektroschocker behandelt und mobbende Mitschüler in eine Situation gebracht werden, die an Saw erinnert. Oder die Idee aufkommt, einen Spanner mit einem Laser im Dekolleté die Augen zu verbrennen. Gleichzeitig ist dieses in einem Ausmaß bizarr, dass ich es nicht ernst nehmen kann. Und, wie gesagt, in der Theorie finde ich Gewalt ziemlich witzig, und ein bisschen denke ich auch: “Haben sie verdient.” Auch Leute einfach mal anschreien ist eine in der Serie auftauchende Lösung, die in der echten Welt wohl noch einigermaßen sozialverträglich ist und dich vermutlich nicht in den Knast bringt.

Sonst bleibt nur, sich irgendwie durchzubeißen in einem transfeindlichen System. Hier kommt ein wichtiger Punkt: Solidarität! Übrigens erfolgt auch die Gewalt solidarisch: Meist geht es nicht darum, die eigenen Interessen durchzusetzen, sondern andere zu unterstützen. Solidarität unter trans Personen, wie Zoeys mitfühlende Aussage, dass trans sein manchmal richtig kacke ist, aber auch das gemeinsame Üben für das Gespräch mit dem Gutachter oder das gemeinsame Durchtelefonieren tausender Psychotherapeut*innen sind praktische Hilfen, die die trans Personen einander erweisen, aber auch, für mich unerwartet, von cis Personen bekommen.

Geek-Kultur

Besondere Interessen tauchen auf jeden Fall auf, besonders anhand unserer Heldin Sü. Als ITlerin ist ja sowieso schonmal klar, dass sie Ahnung von Technik hat. Das Bild von Technik als Boy’s Club wird durch die sehr feminine Frau, in deren Wohnung Pink die vorherrschende Farbe ist, gebrochen. Wir sehen Sü beim Computer spielen, als sie mit einem lockeren Spruch einen Gegner fertig macht. Als sie Chris anruft und sagt, dass sie nun Sü heiße, antwortet Chris: “Besser als Zelda.” Auch hier der Bezug zum Computerspiel. Ich habe den Eindruck, dass ein liebevoller Innenblick auf Interessen wie Computerspiele, Technik und SciFi fällt. In einem Traum von Sü taucht unser Cast als Besatzung des Raumschiff Enterprise auf – und das Erscheinen von Süs Boyfriend als Yoda sorgt für Empörung, weil er sagt, es sei doch alles Science Fiction und er sehe kein Problem. (Wenn ihr das Problem auch nicht versteht, dann sagt mal unter Star Trek- oder Star Wars-Fans, dass das doch das gleiche sei. Oder, nein, sagt es lieber nicht.)
Also: Liebevoller Blick auf Geek Kultur, meines Erachtens nach. Queer und Geek überschneidet sich ja zu gewissen Teilen. Da ich nur queere Leute kenne, kenne ich auch nur queere Geeks und mache ab und an den Fehler, davon auszugehen, dass es eine Glitzerwelt voller queerer Leute mit abseitigen Hobbies und Interessen sei. Ist es nicht, aber die Leute, die ich mag, wie Sü, tauchen in der Sendung auf =)

Sexualität

Gleichgeschlechtliche Beziehungen und Bisexualität werden als normale Themen behandelt. Zoey wird auf der Suche nach einem Date beim Betrachten von Profilen Personen verschiedener Geschlechter gezeigt, ohne dass dies weiter thematisiert wird. Sü datete Chris und ist in der Serie mit einem Mann zusammen. Als Sü ein Haus mieten will, wird dieses an ein Männerpaar vergeben. Antonia steht auf Frauen und Sandra ist lesbisch. Ich weiß nicht, ob in dieser Serie überhaupt Leute auftauchen, die hetero sind =D Oder hetero und cis. Bei einigen ist es (bisher?) unklar, auf welche Geschlechter sie stehen oder ob überhaupt.

Schauspielerische Leistung

Einen winzigen Punktabzug gibt es wegen der schauspielerischen Leistung, die mich nicht durchgehend überzeugt. Ich weiß nicht, ob sie im Laufe der Serie besser wird oder ob ich mich daran gewöhnt habe. Auf jeden Fall dachte ich am Anfang: “Nicht so gut.” Trotzdem mag ich die Serie.

Ist das Ableismus?

Dann bin ich mir noch unsicher, ob es schlimm ist, dass gerade die Personen, die auch allgemein merkwürdig sind, ihr Geld damit verdienen, Leute zu ermorden. Es könnte ein Gleichsetzen von Neurodiversität und Mörder*in sein, was ich nicht so nett fände. Auf der anderen Seite ist Chris auch so liebenswert und so naiv. Ich weiß es nicht.

Düsenurteil:

4.95 von 5 Sternen!