Heute ist Tag der Bisexuellen – das ist doch eine tolle Gelegenheit, den dritten Teil über Monosexismus zu schreiben =)
Teil 1 Teil 2
Inhaltshinweis: Bifeindlichkeit, selbsternannte Sprachexpert*innen und ihr Blabla, binäre Geschlechterordnung und Transfeindlichkeit.
“Bi ist binär!”
Bi ist binär!, oder auch: Bi ist transfeindlich! ist eins der bifeindlichen Klischees, die mich am meisten nerven. Vor allem, weil es sich auf vermeintlich hohen Niveau bewegt, dabei aber wenig durchdacht ist und Ressentiments gegen bi Leute damit rechtfertigen will, sich für andere Gruppen einzusetzen. Aber ich gebe auch zu, dass das einer der Gründe ist, aus dem ich eine Weile für mich den Begriff pan vorgezogen habe.
Als erster Punkt des Bi ist transfeindlich!-“Arguments” fällt mir auf, dass die Person, die das äußert, wohl trans und zwei Geschlechter als Gegensätze betrachtet. Wer auf zwei Geschlechter stehen deutet als auf cis[1] Männer und cis Frauen stehen, sollte vielleicht nochmal reflektieren, inwiefern * trans Frauen als Frauen und trans Männer als Männer anerkannt. Schiebt eure Transfeindlichkeit bitte nicht bi Leuten zu, wir wollen die nicht haben! Zumindest die meisten von uns. Hoffe ich.
Natürlich gibt es auch trans Leute, die keine oder nicht ausschließlich Frauen bzw. Männer sind. Mich zum Beispiel. Habe ich nun also keine Chance auf ein Date mit bi Leuten? Würde ich mich selbst nicht daten? Hasse ich mich womöglich selbst oder halte ich mich nicht für begehrenswert, weil ich genderqueer bin?
Nein. Bi bedeutet halt nicht zwingend, auf exakt zwei Geschlechter zu stehen. Selbsternannte Sprachwissenschaftler*innen wissen an dieser Stelle sehr genau, dass bi ja zwei bedeutet und bisexuelle oder -romantische Leute deshalb nur auf zwei Geschlechter stehen dürfen. Sehr amüsant fand ich es, dazu einen Kommentar zu lesen, dass sich Leute ja auch nicht darauf beharrten, dass der September der siebte Monat des Jahres sei, obschon sept- sieben bedeutet. Ich fand das so toll, dass ich es direkt übernommen habe, um Leute zu nerven, die mit “Aber bi heißt zwei!” anfangen. Dass viele bi Aktivist*innen bi definieren als “sich zu mehr als einem Geschlecht sexuell und/oder romantisch hingezogen fühlen” oder “sich zu zwei oder mehr Geschlechtern sexuell und/oder romantisch hingezogen fühlen“, können viele wohl sehr gut ignorieren. Wer braucht auch schon Stimmen von bi Aktivist*innen, wenn * sich auf die Definition des Dudens beziehen kann? Der ist ja bekanntlich die einzige Autorität nicht nur in Bezug auf korrekten, sondern auch auf freundlichen Sprachgebrauch.
Nächster Denkfehler ist vermutlich, dass Leute aus bi = zwei schließen, dass mit den zwei Geschlechtern, auf die sich bezogen wird, Männer und Frauen gemeint sind. Oft wird direkt noch cis ergänzt. Hier noch einmal: Bi Leute sind nicht für deinen Cissexismus verantwortlich!
Bi bedeutet übrigens auch nicht, genau gleich auf zwei/mehrere Geschlechter stehen zu müssen. Keine Ahnung, woher der Gedanke kommt, dass bi Leute keine Vorliebe für bestimmte Geschlechter haben dürfen.
Also, kurz zusammengefasst:
- Bi muss nicht unbedingt zwei bedeuten. Bi Leute können auf zwei oder mehr Geschlechter stehen.
- Wenn für bi Leute ihr Bi-Sein bedeutet, dass sie sich in zwei Geschlechter verlieben können oder Leute, die einem von zwei Geschlechtern angehören sexuell begehren, muss dies nicht bedeuten, dass diese zwei Geschlechter Frauen und Männer sein müssen. Leute können sich zum Beispiel bi nennen, wenn sie auf Frauen und Leute mit femininen Ausdruck stehen.
- Nichts, nichts, nichts, aber auch wirklich gar nichts sagt aus, dass bi Leute, die ausschließlich auf Männer und Frauen stehen, nur auf cis Frauen und cis Männer stehen.
- Bi zu sein und auf zwei oder mehrere, aber nicht alle Geschlechter zu stehen, bedeutet nicht, dass * die Geschlechter, auf die * nicht steht, verachtet.
Homo und Hetero ist natürlich kein bisschen binär!
Ernsthaft. Auf bi Leuten wird rumgehackt, weil ihre sexuelle Orientierung ja total binär sei. Ist hetero oder homo etwa nicht binär? Ihr könnt gern die Links dahinter aufrufen und schauen, die die Duden-Autorität das definiert.
Shiri Eisner führt sehr schön aus, dass geschichtlich die Bi-Bewegung und -Community trans Leute stärker eingeschlossen hat als lesbische und schwule Szenen.
Und mein erster Schritt nach meinem Coming Out als genderqueer war es, keine Heteros mehr zu daten. (Das hab ich nicht ganz durchgehalten, aber hey ^_^) Da hab ich die Erfahrung gemacht, dass es auch miese binaristische bi Leute gibt und dass die Beziehung zu einem hetero Mann sehr gut klappen kann, wenn er mich nicht mit “Du musst aber so und so sein, weil!” nervt. Da das meiner Erfahrung nach aber nicht so viele Heteros schaffen, weil sie halt nicht nur auf bestimmte Körper, sondern auch auf bestimmte Geschlechterperformances stehen, bleibe ich dabei: Als nicht binäre trans Person klappt es ganz gut, neben pan- und polysexuellen Leuten Bisexuelle zu daten =)
Noch ein kleines Beispiel, das ich mir mal ausgedacht habe, als ich mich darüber aufregte, dass Deutschlandfunk einen Bericht über Pansexualität mit bifeindlichen Klischees füllte (und allgemein Unsinn redete, daher Inhaltshinweis für den Link: uralte homofeindliche Klischees, die mich richtig sauer machen -.-):
Eine genderqueere Person, groß, muskulös, bärtig, ist auf der Suche nach einem Rendezvous. Xier bittet einen heterosexuellen und einen bisexuellen Mann, mit xiem auszugehen. Ganz eindeutig sagt der bi Mann “Nein”, denn er steht ja nur auf Männer und Frauen und nicht auf nonbinary Leute, weil bi Leute ja bekanntlich voll binär sind und so und alle genderqueeren Leute ein “Ich bin genderqueer!”-Schild tragen, das dazu führt, dass sie von bi Leuten direkt als Personen außerhalb des Mann-Frau-Schemas erkannt werden. Der hetero Mann sagt natürlich “Ja”, insofern er den genderqueeren Menschen allgemein anziehend findet (Heterosexuelle haben ja bekanntlich Ansprüche), denn heterosexuell bedeutet ja, dass er auf Geschlechter steht, die anders sind als sein eigenes und Heterosexuelle denken ja nienieniemals binär und ein hetero Mann würde nie auf die Idee kommen, seine Heterosexualität zu definieren als “Ich stehe ausschließlich auf Frauen” und schon gar nicht als “Ich stehe nur auf cis Frauen!”
Wenn ihr jetzt verwirrt seid, tut es mir leid. Ich verwende sehr gern Ironie. Ich meine damit:
Es ist doch viel wahrscheinlicher, dass sich ein bi Mann auf ein Date mit einer genderqueeren, sich maskulin präsentierenden Person einlässt, als dass ein hetero Mann das tun würde. Also lasst doch bitte endlich den Unsinn, die Ursache für Transfeindlichkeit, Cisnormativität und ein binäres Geschlechtersystem in bi Leuten zu suchen, während Heterohausen die doch viel stärker herstellt! Es ist eine unangenehme Verschiebung der Debatte auf andere unterdrückte Leute: Plötzlich ist nicht mehr die Heteronormativität schuld an Transfeindlichkeit, sondern wir suchen die Schuldigen innerhalb von a, bi, trans, inter*, queeren, lesbischen, schwulen Gruppen und Strukturen und ignorieren dabei vollkommen, wie doll die cis hetero dya[2] allo[3] Welt die Unterdrückung von ABTI*QLS verursacht und befördert. Was natürlich nicht heißt, dass Trans-, Inter*- und Nonbinary-Feindlichkeit niemals vorkommt unter ABTI*QLS Leuten.
Aber wieso nennst du dich denn nicht pan, dann wäre doch alles klar?
Weil ich es nicht als meine Verantwortung sehe, mir ein anderes Wort zu suchen, nur, damit sich Leute, die von Monosexismus profitieren, nicht bilden müssen.
Liebe hetero, lesbischen und schwulen, dyacisgeschlechtlichen Leute: Ihr seid einfach nicht in der Position, mir zu sagen, dass ich inter*-, nonbinary- oder transfeindlich sei. Fangt diesen Text doch am besten nochmal von vorne an =)
Es tut mir leid für alle nicht binären, trans und inter* Leute, die sich abgewertet fühlen von dem Wort “bisexuell”. Mir in meine sexuelle Orientierung reinreden ist aber n mieser Move. Und gerade als nicht binäre trans und bi Person sollte doch eigentlich klar sein, dass ich bestimmt nicht nb- oder transfeindlich bin. Deshalb: Liebe anderen trans und nb Leute, lieber binäre und nicht binäre inter* Leute, ich stehe hinter euch und habe keinesfalls vor, euch durch meine Selbstbezeichnung wehzutun. Es ist einfach die, die momentan am besten passt und ich will deshalb bestimmt nicht die Leute, die für ihr Geschlecht am meisten feddich gemacht werden, dissen. Wenn ihr meine Bisexualität nach dieser Erklärung immer noch als kränkend empfindet, bitte ich euch, noch einmal darüber nachzudenken, ob ihr es ebenfalls als Angriff auf eure Identität empfindet, wenn wer hetero oder homo ist. Da diese Begriffe ebenfalls binär sind, liegt es vermutlich an Bifeindlichkeit, dass euch der Begriff bi anpisst, und ich weigere mich, die Verantwortung für die Bifeindlichkeit anderer Leute zu tragen. Falls ihr eine andere Begründung findet, freue ich mich über eine Rückmeldung. Love, Düse!
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[1] cis ist der Gegenbegriff zu trans
[2] dya(disch) ist einer von mehreren Begriffen, die das Gegenteil von inter* beschreiben.
[3] allo(sexuell) ist einer von mehreren Begriffen, die das Gegenteil von asexuell / ace beschreiben.
Hier kommt Teil 4. Wenn hier kein Link ist, gibt es (noch) keinen Teil 4.