Narzisst*innen zu bashen ist voll nicht ok

Prolog

Ich habe länger überlegt, wie ich diesen Beitrag betitele, damit deutlich ist, dass ich mich hier klar gegen ein Bashing von Narzissmus / Narzisst*innen ausspreche und das war die beste Lösung, die ich gefunden habe. Und das führt uns direkt zum Problem: Es läuft im Moment eine Propaganda, die narzisstische Menschen dämonisiert und mir mehr und mehr Sorge bereitet. Diese Propaganda wird auch in emanzipatorischen Kreisen verbreitet und wenn sich coole linke, feministische und queere Menschen einig darüber sind, dass Narzisst*innen böse sind, ist es schwer, einen Titel zu finden, der unmissverständlich klar macht, dass es mir hier um Narzist*innen als Betroffene von Gewalt geht und nicht als Gewaltausübende. Ich bin mir sicher, dass einige meine erste Idee “Narzissmus-Bashing stinkt” irgendwie als bashende Narzisst*innen verstanden hätten und es ist schwer, eine Überschrift zu finden, die nicht als Sarkasmus aufgefasst werden kann (“Ein Herz für Narzisst*innen”). Wenn eine Gruppe psychisch kranker Menschen derart verteufelt wird, haben wir ein sehr sehr ernstes Problem.

Bestandsaufnahme

Zunehmend sehe ich, wie Menschen “Narzissmus” schlicht und einfach, ohne weitere Einordnung, synonym mit “scheiße” verwenden, weil sie davon ausgehen, dass ich verstehe, dass sie genau das meinen. Oder Leute Texte verbreiten, deren Titel in etwa lauten (im bekannten Düsensprech überspitzt, aber diesmal gar nicht so sehr): “Woran du Narzisst*innen erkennst und wie wir sie am besten aus unserer Gesellschaft verbannen.” Als mich jemand um Ressourcen bat, um über Narzissmus zu lernen, fand ich einen Text, den ich guten Gewissens weiterreichen konnte, allerdings nur mit dem Hinweis, besser nicht die Kommentare zu lesen. Und ich recherchierte aus einer ziemlich privilegierten Position: Ich hatte schon jemanden im Kopf, bei dem ich schauen wollte, ob er einen Text schrieb, der sich nicht an seine Kolleg*innen wendet, sondern an die Allgemeinheit, und voilà, es gibt ihn. Jetzt habt auch ihr was, wenn ihr mehr lernen wollt, und ich kehre zurück zu meinem eigentlichen Thema:

Stigmatisierung von Menschen mit Narzissmus

Ich bin traurig, dass ich das sagen muss, aber:

1. Behinderte, neurodivergente, chronisch kranke Menschen zu diskriminieren ist Ableismus. Das schließt auch psychisch kranke Menschen mit ein. Auch Menschen mit Persönlichkeitsstörung und ja, auch Narzissmus.
2. “Narzissmus” gleichbedeutend zu verwenden mit “scheiße” oder “gewalttätig” oder “manipulativ” ist ableistisches Handeln.
3. Der Wunsch nach dem Ausschluss einer Menschengruppe aus unserem Miteinander ist sehr sehr problematisch. Ja, auch bei Narzisst*innen.
4. Ich verstehe nicht, wie Menschen darauf kommen, dass ich das sage und es macht mich doppelt traurig, dass ich das hier nochmal klarstellen muss: Wenn ich sage, dass die Dämonisierung narzisstischer Menschen nicht okay ist, sage ich nicht, dass du a) keine Grenzen haben darfst und b) für jedes Verhalten narzisstischer Menschen applaudieren musst, egal ob es nun mit ihrem Narzissmus in Verbindung steht oder nicht. wtf, wie schließt du das aus dieser Aussage? Vermutlich hängt es damit zusammen, dass du Narzissmus nur als schädliches Verhalten denken kannst, und das tut mir echt leid für dich.

Wirklich, eine befreundete Person sagte neulich, dass siem ableistische Menschen leid tun, denn ihnen entgeht der Kontakt zu so vielen tollen neurodivergenten Menschen, weil sie aufgrund ihrer ableistischen Denkmuster ableisierte Menschen aus ihrem Leben ausschließen. Und sier hat Recht. Ich habe ehrliches und großes Mitgefühl für Menschen, die in ihren Vor- und Fehlurteilen festhängen. Ich werde gleich ein Liebesgedicht an Narzisst*innen schreiben, denn wow, es gibt so viele von ihnen, die mein Leben so bereichern. Und neben dem Mitgefühl, dass sich Menschen selbst schaden, wenn sie diese ganzen coolen Socken nicht um sich haben wollen, habe ich Angst, denn das sind meine Freund*innen, denen da so ein Hass entgegen gespien wird. Ich bin besorgt um sie, um ihr mentales und körperliches Wohlergehen. Ich bin schockiert, dass Leute, die sich eigentlich zu Menschenrechten und Gleichwürdigkeit und Solidarität bekennen und gegen Diskriminierung einstehen, den Ausschluss einer ableisierten Gruppe aus der Gesellschaft fordern. Ich bin wütend und muss mich beherrschen, den Kern ihrer Aussagen nicht auf die drastischste Weise zusammenzufassen, aber ganz ehrlich, ich kann es nicht milder ausdrücken: Im Wunsch, eine Gruppe aus unserem Miteinander zu verbannen, steckt der Wunsch nach Ghettoisierung und darin ein Auslöschungswunsch. Ich sehe den wachsenden Keim einer Ideologie, die wir alle doch eigentlich nicht wollen und es macht mir Angst, dass dieser in emanzipatorischen Kreisen Wurzeln schlagen kann.

Fazit / Intervention

Unterstützung, Liebe, Solidarität und Schutz für die Betroffenen. Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung für alle anderen. Eigentlich ist es doch so einfach: Die meisten Menschen verstehen, dass Ableismus ein Problem ist. (Hoffe ich zumindest.) Viele wissen, dass die Stigmatisierung und Diskriminierung psychisch kranker Menschen ein Problem ist. (Hoffe ich zumindest.) Jetzt müssen wir das nur noch für Narzissmus gelten lassen.
Mein Ton wird in einer solchen Auseinandersetzung auch mal ruppig ausfallen. Es gibt Leute, die mehr Geduld haben haben als ich, jemanden in aller Ruhe zu erklären, was an einer Aussage nicht okay ist. Props an euch! Wer das braucht, kann auch das finden. Lasst uns gemeinsam lernen, damit wir alle weniger scheiße sind.

Narzissmusliebe

Wenn du dir nicht vorstellen kannst, dass ich das ernst meine, lies hier.
Wenn wir uns persönlich kennen und du herausfinden willst, über wen ich schreibe, lass es. Das ist creepy.

Ich bewundere deine Kreativität, deine Energie und deine Freiheit.
Wenn du Ungerechtigkeit siehst, macht es dich wütend und du trittst dagegen ein.
Du bist stark und du nutzt diese Kraft, um dich für andere einzusetzen.
Wow, diese Kritik hat dich gerade hart getroffen. Willst du eine Umarmung und wir machen später an dieser Stelle weiter?
Ich mag dich, auch wenn und gerade weil du nicht perfekt bist.
Ich mag dich auch, wenn du denkst, dass du versagst.
Cutie-pie, ich weiß, es ist schwierig für dich, aber kannst du n Gang runter schalten?
Ich stehe zu, schützend vor und stützend hinter dir, ich stehe bei dir und dir bei.
Wenn du Mist baust, sage ich es dir und liebe dich trotzdem.
Es tut mir leid, dass du nicht einfach sein durfest.
Ich will das Kind trösten, das du mal warst.
Du hättest sicher sein müssen. Ich setze mich dafür ein, dass du sicher bist.
Ich mag dich, m1 Freundi, und das geht zu weit, hier ist eine Grenze.
You’re fun to be around. Ich wäre gern so hedonistisch wie du.
Du bist ein Quell an Ideen – nicht immer an guten Ideen, aber an Ideen,
und teilweise an sehr sehr witzigen Einfällen.
Unsere Freund*innenschaft bedeutet mir viel.
Was hast du heute so vor? Lass uns tanzen.
Du sagst so gut durchdachte Dinge. Unsere Gespräche sind eine Bereicherung, ich lerne so gern mit dir.
Ich mag deine Gastfreundschaft und deine Fürsorge, aber der Tee zieht schon von alleine, du musst nicht neben mir stehen und den Teebeutel in meiner Tasse schwenken.
Ja, vielleicht haben alle anderen und das Lexikon manchmal unrecht und nur du recht. Das ist okay, das können wir so stehen lassen.
Your eyeliner is on point.
Ich sehe dich. Ich erkenne dich an.
Du darfst Fehler machen.
Du bist als Mensch in Ordnung.

Flirten für alte weiße Männer

Ok, plakativer Titel, aber es ist hauptsächlich diese Gruppe (gut, manchmal auch nicht alt), die behauptet, nicht mehr flirten zu dürfen, ohne dass alle “Belästigung!” schreien. Und auch wenn ich meine Abneigung gegen diese Feindesgruppe gut pflege, kann ich es anerkennen, wenn welche von ihnen nicht mies sind. (#NotAllOIdWhiteMen XD ) Deshalb erzähle ich hier von meinem gestrigen Erlebnis mit, nennen ihn mal, Karl, weil Karl wie ein Vertreter diese Gruppe wirkt und alles richtig gemacht hat. Ich werde ihn trotzdem nicht kontaktieren, denn alles richtig machen heißt nicht, dass es zwingend zum Erfolg führt. Begründen muss ich es auch nicht, weil es immer gruselig ist, ein “nein” erklären oder verteidigen zu müssen. Wenn Karl so nett ist, wie er scheint, wird er sich vielleicht auch einfach darüber freuen, mit jemanden geredet zu haben und es wird nicht komisch sein, wenn wir uns noch einmal über den Weg laufen.

Wer zu faul ist, die Story zu lesen und direkt zu den Flirttipps will, scrolle weiter bis zum Fettgedruckten.

Ich will eine Runde tanzen, aber niemand der Leute, die ich frage, hat Zeit und Lust. Also baue ich mir in drei Minuten dunkel umrandete Augen, kombiniere das Sommerkleid, das ich am Morgen anzog, mit einer Leggins, weil es abends kühl wurde, schlüpfe in meine Barfußschuhe (ich sage gerne Barfußschuhe, um Leute zu ärgern, die sich beschweren, dass das ein Oxymoron sei), nehme den einzigen schwarzen Turnbeutel, den ich besitze, damit ich zur Party passe und mache mich auf den Weg. Der Plan: hin, eine Runde tanzen, zwei Stunden da sein, den letzten Zug zurück. Bahnhofsnah wohnen und bahnhofsnah feiern. Das Ruhrgebiet ist ein Dorf.

Ich komme an, gebe meinen Hoodie an der Garderobe ab, betrete den Discoraum und bin überrascht, wie voll der Laden ist  – für n Wochentag. Ich war ewig nicht mehr hier und “damals” waren es eher so zehn Leute, die sich auf der und um die Tanzfläche verteilten, jetzt sind es eher so fünfzig. Ich stehe am Rand und versuche, in Tanzstimmung zu kommen. Ich kenne keins der Lieder. Bin ich zu alt oder zu jung? Vermutlich zu alt. So fühlt es sich also an, den Kontakt zu der Kultur deiner Jugend zu verlieren. Nach drei Liedern hole ich mir eine Cola (eigentlich war mein Plan, dass “Eine Cola bitte” die einzige Kommunikation an diesem Abend bleibt) und setze mich auf einen Barhocker an einem der Stehtische. Eine kleine Gruppe fragt, ob der Platz noch frei sei, ich sagte “Ja” und sie setzen sich. Nachdem ich meine Cola ausgetrunken hab, geh ich tanzen, auch wenn ich keine Ahnung habe, was da läuft. Zwischendurch drehe ich eine Runde, um zu schauen, ob vielleicht doch ein bekanntes Gesicht da ist, schaue mir die gratis Postkarten und Magazine in der Lobby an, tanze wieder und stehe irgendwann wieder am Rand der Tanzfläche. Da kommt ich-taufte-ihn-Karl auf mich zu und sagt: “Wenn wir schon deinen Tisch einnehmen, haben wir dir einen Platz freigehalten, also wenn du möchtest…” und geht zurück zu seinen Freund*innen. Da die Außenwelt meistens nicht so angenehm für Femmes (wann hab ich eigentlich angefangen, dass als Selbstbezeichnung zu verwenden? Ist noch nicht so lange her, fühlt sich aber gut an) ist, denke ich kurz darüber nach, ob ich bei meinem Vorsatz bleibe, Gespräche auf Getränkebestellungen zu beschränken, und komme zum Schluss: “Ach, egal.” Also gehe ich zu Karl und seinen Freund*innen, sage “Hallo”, schüttelt Hände, nenne meinen Namen und erfahre Namen, die ich vergessen habe, weil ich wirklich nicht gut darin bin, mir Namen zu merken. Ich führe Small Talk mit Karl, gehe wieder tanzen, komme wieder zum Tisch, erfahre von seinen Freund*innen, dass er gerade tanzt, wir reden dann wieder etwas, ich gehe tanzen, wieder etwas reden. Wie oft wir hier sind, was wir so machen, wenn wir nicht hier sind, welche Musik wir mögen, wo * noch hingehen kann. Nichts tiefgehendes, aber trotzdem angenehm. Gemeinsame Bezugspunkte: Dieser Club, Punk, Pogo, breit gefächerter Musikgeschmack.
Als Mitternacht vorüber ist und sich der Zeitpunkt nähert, an dem der letzte Zug fährt (ist halt unter der Woche), verabschiede ich mich, geh noch mal aufs Klo und hole meinen Pulli von der Garderobe. Als ich diesem anziehen will, kommt Karl, eilend und suchend wirkend, durch die Lobby. Ich sage scherzend: “Oh, so sieht man sich wieder!”, und er gibt mir einen Zettel mit den Worten: “Falls du willst… Also, würde mich freuen.” Ich nicke, er geht weg, ich ziehe den Pulli an und schaue auf den Zettel. Eine Telefonnummer und “Karl”. Er heißt nicht Karl, aber ohne diesen Zettel hätte ich mir den Namen erst recht nicht gemerkt. Wirklich, Namen!

Das war die Geschichte, und jetzt folgt meine Analyse, was es für mich so angenehm gemacht hat:

  1. Ich hatte jederzeit das Gefühl, ohne Probleme weggehen und das Gespräch abbrechen zu können. Es war kein Zwang. Er hat mich angesprochen, eingeladen, mit zu ihnen zu kommen und mir dann den Raum gelassen, zu entscheiden. Es gab keine unangenehme Situation, in der wir uns gegenüber standen und ich weglaufen oder “Geh weg!” sagen musste. Es zeigte sich ja auch, dass ich ohne Probleme die Situation verlassen konnte – tanzen gehen und wiederkommen. Hätte ich keine Lust mehr auf eine Unterhaltung gehabt, wäre ich halt nicht wieder gekommen. Auch wie er mir zum Schluss die Möglichkeit zu weiterem Kontakt gab, war nicht aufdringlich. Hier hast du meine Nummer, wenn du willst, melde dich. Tschöss. Ich kann sie mitnehmen und ihn anrufen, ich kann sie sofort wegwerfen, ich kann sie mitnehmen und mir in Ruhe überlegen, ob ich ihn anrufen will. Das ist entspannt und ganz und gar nicht aufdringlich.
  2. Keine nervigen Komplimente. Ich fühle mich schnell unwohl bei Komplimenten. Besonders, wenn Fremde etwas über mein Aussehen sagen, fühle ich mich unwohl. Karl hat nix über meine schönen Augen gesagt oder meinen Hochschulabschluss bewundert (ich seinen auch nicht). Wir haben einfach geredet und geschaut, ob wir gemeinsame Interessen haben.

Also, kurz gesagt: Karl war grenzachtend. Ich fühlte mich zu keinem Zeitpunkt bedrängt und war mir auch nicht sicher, ob das eigentlich Flirten ist oder einfach ein freundliches Da steht wer allein, ich biete mal an, zu uns zu kommen. Ich bin auch nicht gut darin, zu flirten, daher ist es gut, dass ich nicht wusste, was das eigentlich ist. Und Karl wirkte an mir interessiert, an mir als Mensch interessiert, interessiert daran, mich kennen zu lernen und etwas über sich zu erzählen. Ich glaube, das ist ein guter Start, wenn du jemanden kennen lernen willst: Lerne die Person kennen. Und sei kein Creep.

Kinkshaming?

Kinkshaming. Frauenfeindlichkeit. Diskriminierung. Rassismus erwähnt (+ mehr im Link). Speziesistische Wörter. N paar Kinks, die vermutlich jetzt nicht so meeega abgefahren oder triggernd sind, werden genannt. Oberflächliche Beschäftigung mit potentiell (lebens)gefährlichen Kinks, keine Details. Gruselige Leute und Grenzverletzungen, auch eher oberflächlich und wenig Details.

 

 

 

 

Die Links in diesem Artikel sind eventuell #NSFW. Falls du diesen Text auf der Arbeit liest. Oder im Zug. Oder sonst wo, wo dir vielleicht Leute über die Schulter gucken und dich dann dafür kinkshamen könnten, was für Seiten du dir doch anguckst.

Manche der Menschen in meinem Umfeld haben vielleicht schon einmal mitbekommen, dass ich gelegentlich “no kinkshaming” (oder “kinks are valid“) sage. Häufig bevor oder nachdem 1 der Entitäten, mit denen ich häufig Zeit verbringe, sagt(e): “your kink, my kink und so”. Continue reading “Kinkshaming?”